Von Einbrechern und Hosts: Verletzlichkeit und sicherer Raum

Wenn ich im Pro Action Café ein Projekt vorschlage, erlebe ich dabei einen kurzen Moment der Verletzlichkeit. Der Moment, in dem ich die Frage formuliere, ist gleichzeitig auch der, in dem ich andere um Hilfe bitte. In dem Moment sehe und spüre ich, wie es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in unseren Veranstaltungen, Workshops und sonstigen Events geht, wenn sie sich öffnen und einbringen. Seit dieser Woche hat das Thema “Verletzlichkeit” noch eine andere Dimension: In meine Wohnung wurde eingebrochen.

Ungeschützte Verletzlichkeit

Die Idee, zum Thema Verletzlichkeit zu bloggen, habe ich schon länger. Der Einbruch hat es mir noch deutlicher und am eigenen Körper spürbar gemacht. Natürlich liegt die Verbindung dieser beiden Dinge nicht unbedingt auf der Hand, das gebe ich zu. Die ungehostete und damit ungeschützte Verletzlichkeit, wie ich sie leider gestern erlebt habe, bringt auf den ersten Blick keine Ergebnisse. Sie erzeugt nur Hilflosigkeit, Wut und – auf gut Österreichisch – Grant. Und paradoxerweise in meinem Fall sogar eine Spur von Dankbarkeit, dass es sich “nur” um materielle Dinge handelt, die weg sind.

Die Chance: durch Präsenz einen sicheren Raum schaffen

Wenn wir aber das Sich-Öffnen und damit eine freiwillige Verletzlichkeit gut hosten und den Raum halten können, dann kann das das Einfallstor zu gänzlich Neuem sein. Dann kann genau dort die Kreativität sprießen, können dort Verbindungen entstehen und das Gezeigte kann in den anderen Beteiligten unerwartete und große Dinge wachsen lassen.

Es ist genau dieser Moment, in dem ich mich als Host notwendig und gefordert sehe: Dann, wenn ein Teilnehmer, eine Teilnehmerin sich öffnet und etwas von sich preis gibt. Dann hat er oder sie einerseits eine Verbindung zu sich selbst (oder ist grad dabei, sie aufzubauen) und will andererseits der Welt etwas weitergeben – und sei es eine Frage.

In diesen Momenten einen sicheren Raum zu schaffen, ist für mich der Kern des Hostens. Es sind nicht die Abläufe, das Essen, ein möglicher Small-Talk und dann Check-in zu Beginn. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch: All das gehört dazu und rundet die Sache ab. Das Wesentliche allerdings ist, genau im Augenblick der Verletzlichkeit präsent zu sein, zu halten und auszuhalten. Dann wandelt sich diese vordergründige Verletzlichkeit in Stärke, in etwas, auf dem man aufbauen kann.

Sich als Hosts selbst einlassen

Im Art of Hosting gibt es mit dem Konzept der “Four Fold Practice” gewissermaßen ein vierblättriges Kleeblatt, also vier Teile, aus denen die Übung und die stetige Weiterentwicklung von uns als Praktizierenden besteht: Wir zählen dazu das Hosten von uns selbst und präsent sein, das aktive Gestalten und Hosten von Gesprächen anderer sowie die Zusammenarbeit und der Austausch mit anderen Praktizierenden. Und der vierte Punkt, der für das heutige Thema wichtig ist, ist das Teilnehmen an Gesprächen, sich hosten lassen und sich damit auch eine Spur weit verletzlich machen.

Eigenes Teilnehmen und uns Hosten-lassen müssen wir als Hosts fest einplanen und als “Rendezvous mit uns selbst” von anderen Verpflichtungen freihalten. Aus meiner eigenen Erfahrung und der von Kollegen und Kolleginnen sehe ich, dass es allzu leicht passiert, dass man sich in erster Linie aufs Hosten selbst konzentriert. Und dabei kann es ganz schnell passieren, dass der wichtige Aspekt der eigenen Teilnahme und damit Erfahrung keinen Platz mehr hat.

Ich wünsche dir und uns daher diesmal auch, dass andere für uns viele und gute Räume für gute Gespräche schaffen und wir uns die Zeit nehmen, sie auch für unsere Weiterentwicklung als praktizierende Gastgeber nützen. Und weiterhin natürlich:

Lasst uns gemeinsam Räume für gute Gespräche schaffen,

Ilse

 

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